Casa de los amigos – Haus der Freund:innen
„Hast du den Sack mit den Verkleidungen gefunden?“, ruft Erzieherin Nilda. Wilmas Stimme ist aus dem Keller zu hören: „Hier hinten müsste er liegen. Ich habe auch noch die Hüte gefunden“. Geschäftiges Treiben im Haus der Freund:innen, besser bekannt unter dem Namen Cimet. Die letzten Vorbereitungen werden getroffen, bevor am Abend endlich der große Auftritt im Theater der Stadt Sucre stattfindet. Seit Wochen haben sich die Kinder und Jugendlichen darauf vorbereitet, haben Tänze und Gedichte einstudiert, sich mit Schauspiel beschäftigt und andere Gruppen der Stadt eingeladen. Heute ist es nun so weit.
Aber der Reihe nach. Im September 2024 hatte ich, Judith Schleifer, die Möglichkeit für drei Wochen erneut den Alltag im Cimet (integratives Zentrum für minderjährige Arbeitende) zu teilen. 2019 absolvierte ich dort ein halbjähriges psychologisch-pädagogisches Praktikum, jetzt durfte ich erneut die Gemeinschaft erleben. Gerade rechtzeitig kam ich, um die Theaterpräsentation des Projekts „Alma de Mujer“ („Seele der Frau“) zu erleben. In seiner Vorbereitung wurde sich intensiv mit Formen der (häuslichen) Gewalt vor allem gegen Frauen auseinandergesetzt. Das Ergebnis konnte sich sehen lassen. Den Kindern wurde nicht nur Wissen zu einem noch stark tabuisierten Thema vermittelt, sie lernten vor allem, sich durch künstlerische Mittel Gehör zu verschaffen. Nicht zuletzt konnten sie ihr Selbstbewusstsein stärken.
Erzieher:innen und Direktor
In diesem Jahr übernahm Francisco die Stelle des Direktors im Cimet. Im letzten Jahr noch als Erzieher tätig gewesen, war er nun für die koordinativen und administrativen Aufgaben im Projekt zuständig. Der gelernte Sozialarbeiter und Kommunikationswissenschaftler hatte schon in den Jahren davor ein Netzwerk in Sucre aufbauen können, von dem nun auch das Cimet profitieren konnte. Er vernetzte das Cimet mit weiteren Organisationen, die sich für die Rechte von Kindern einsetzen, und mit städtischen Projekten. Unterstützt durch die Kontakte der Trinitariermönche sind nun einige Studierende der Pädagogik und Psychologie für feste Tage als Ehrenamtlich oder Praktikant:innen im Projekt und unterstützen so zielgerichtet die Arbeit der Erzieher:innen. Neben Nilda, die schon mehrere Jahre im Projekt arbeitet, waren dieses Jahr Jorge als Psychologe und Wilma, die in diesem Jahr neu begonnen hat, Teil des pädagogischen Teams. Die vier ergänzten sich nach eigenen Aussagen und nach dem, was ich in der kurzen Zeit beobachten konnte, sehr gut und setzten motiviert neben den täglichen Herausforderungen, kleine und große Projekte um. Auch ein:e Freiwillige:r aus Deutschland arbeitete im Rahmen des weltwärts-Programms im Cimet.
Hausaufgabenbetreuung
Auch in diesem Jahr war die Hausaufgabenbetreuung ein sehr wichtiger Teil des Projekts. Noch immer sind die schulischen Lücken, hervorgerufen durch die Sanktionen der Pandemie, bei vielen Kindern gravierend. So üben die Erzieher:innen gerade mit den Jüngeren systematisch das Lesen. Stolz erzählte mir Nilda, dass ein Mädchen, das die dritte Klasse besucht, nun nach intensiver kontinuierlicher Nachhilfe doch noch das Lesen gelernt hat. Durch die oben erwähnten Ehrenamtlichen erfolgt nun eine bessere Unterstützung der Kinder und die Erzieher:innen können ihre Aufmerksamkeit verstärkt auf die Kinder mit größeren Schwierigkeiten richten.
Die Friedhofsarbeit
Der Fokus der Arbeit auf dem Friedhof liegt weiterhin auf der psychologischen Begleitung der Jugendlichen. Gerade hier fällt es vielen laut Jorge leichter sich zu öffnen und über ihre Sorgen und Probleme zu sprechen.
Viel pädagogisch-psychologische Begleitung läuft unterschwellig durch gemeinsames Sitzen beim Warten aufKundschaft oder durch Vorbild sein auf Augenhöhe der Jugendlichen. Von V orteil dabei ist neben weiteren Faktoren auch, dass das Team des Cimets jung ist. Seit der letzten Versammlung der Gewerkschaft der Jugendlichen auf dem Friedhof ist wieder Ruben deren Leiter. Da er mit 30 Jahren zu alt für das Cimet ist, stellt es das Team des Cimets erneut vor die Herausforderung bestehende Kontakte nicht zu verlieren.
Das Stipendienprogramm
Sechzehn Jugendliche und junge Erwachsene konnten dieses Jahr wieder Teil des Stipendienprogramms sein.
Neben einer finanziellen Unterstützung bekamen sie so auch fachlichen Input zu Themen wie beispielsweise „Eröffnung eines Kontos“. Im Gegenzug unterstützen die Stipendiat:innen das Cimet durch ehrenamtliche Tätigkeiten, in denen sie beim Putzen, Kochen und der Betreuung der Jugendlichen halfen. Auch die Gemeinschaft darf dabei nicht zu kurz kommen. So fuhr die Gruppe für ein Wochenende in das Freizeitheim in Pitantorilla, um durch erlebnispädagogische Spiele das soziale Miteinander zu stärken und in Workshops Folgen des Konsums illegaler Drogen zu beleuchten. So ist das Stipendienprogramm ist ein wichtiger Teil des Projekts, um den Jugendlichen einen Ausweg aus dem Teufelskreis der Armut zu ermöglichen.
Die Musikgruppe
Auch in diesem Jahr konnten die Jugendlichen im Rahmen des Q’epiri- Projekts in Sucre am großen Umzug zu Ehren der Jungfrau Guadalupe teilnehmen. Ein großes Event, an dem an zwei Wochenenden hintereinander Tanz- und Musikgruppen aus Sucre und ganz Bolivien teilnehmen. Schon mehrere Jahre in Folge wurde die Gruppe Rumisonqos des Cimets von einem Tanzverein engagiert und sie begleiteten mit Herzblut die Tänze mit traditionellen Melodien auf Panflöten und Schlagwerk. Nachdem der Mönch Padre Jose Miguel die Kinder mit ihren Familien nach dem Theaterabend mit seinem Geländewagen wieder nach Hause gebracht hatte, meinte er zu mir, wie erschreckend es doch sei, unter welch einfachen Verhältnissen die Kinder groß würden und welch großes Geschenk es sei, dass sie ihre Tage im Cimet verbringen könnten und nicht auf offener Straße warten müssten, bis sie abends mit ihren Eltern den langen mühsamen Weg aus der Stadt in die höher gelegenen Randgebiete antreten würden. „Das Cimet hat Generationen geprägt. Das Wertvolle dieses Projekts ist es unter anderem, dass es schon seit Jahrzehnten kontinuierlich arbeitet und man sich auf sein Fortbestehen verlassen kann.“ (Padre Jose Miguel)
In diesem Sinne ein herzliches Dankeschön, dass Sie mit Ihren Spenden und Anteilnahme genau das ermöglichen.
Judith Schleifer und die Boliviengruppe des Lorenzer Ladens
Bankverbindung: Sparkasse Nürnberg, IBAN DE58 7605 0101 0014 3119 22, BIC: SSKNDE77XXX